25 Jahre Gentechnik-Volksbegehren – was hats gebracht?
Nach einer beispiellos emotionalisierenden Kampagne durch eine breite Koalition aus NGOs, Verbänden, Unternehmen und Medien unterzeichneten im Jahr 1997 mehr als 1,227 Millionen Menschen in Österreich das Volksbegehren gegen den Einsatz von Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Das zweiterfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte des Landes weckte weit über Österreichs Grenzen hinaus Aufmerksamkeit: Nach der Absage gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf hat Österreichs Bevölkerung gleich ein zweites Mal aus tiefer Überzeugung heraus den Riegel gegen eine Risikotechnologie vorgeschoben.
Österreich: Vorbild und Vorreiter bei Lebensmittel Ohne Gentechnik
Was anfangs noch belächelt wurde, gilt mittlerweile als klare Vorreiterrolle Österreichs: Mehrere europäische Länder sind mittendrin im Atom-Ausstieg; und Lebensmittel ohne Gentechnik haben sich in vielen europäischen Ländern als stark nachgefragter Qualitätsstandard etabliert – allen voran in Österreich und Deutschland, aber auch in Italien, Frankreich und osteuropäischen Ländern.
In Österreich hat das Gentechnik-Volksbegehren 1997 einen beispiellosen Diskurs ausgelöst: Aus einer sehr ungewöhnlichen und ausgesprochen konstruktiv zusammenarbeitenden Koalition aus besonders engagierten Unternehmen aus dem Lebensmittelsektor, (Bio)-Bauernverbänden, Konsumentenschutz und NGOs ist im Juni 1997 die ARGE Gentechnik-frei hervorgegangen – als weltweit erste Plattform zur Produktion, Kontrolle und Kennzeichnung von Lebensmitteln ohne Gentechnik.
Dies hat zu einer substanziellen Transformation am Markt geführt – speziell bei Qualitätsprodukten. „Ohne Gentechnik hergestellt“ wurde zu einem der wichtigsten Qualitätsfaktoren – auf Wunsch der Konsumenten, aus Überzeugung vieler Landwirte und als attraktiver Exporttreiber. Ganz generell gibt es heute in Österreich eine breite Allianz gegen den Einsatz von Gentechnik. Im Supermarkt stehen keinerlei Gentechnik-Lebensmittel im Regal, und auf den Feldern werden keine GVO-Pflanzen angebaut.
25 Jahre Volksbegehren – Zwischenbilanz
Vieles aus den drei Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens wurde mittlerweile vorbildlich umgesetzt.
Forderung 1: Kein Essen aus dem Genlabor
Bereits im Juni 1997 entstand aus einer Allianz von NGOs, Supermärkten, Verarbeitern und Bio-Verbänden die ARGE Gentechnik-frei – mit dem Ziel, Produktion und Kennzeichnung von kontrolliert Gentechnik-freien Lebensmitteln zu ermöglichen. Hier ist enorm viel gelungen: Mittlerweile sind die gesamte Milch-, Eier- und Hühnerfleischbranche auf Gentechnik-freies Futter umgestellt; rund 6.500 Produkte tragen das Kontrollzeichen „Ohne Gentechnik hergestellt“. Immer mehr europäische Länder schließen sich dem österreichischen Vorbild an.
Was noch zu tun ist:
- Bei Schweine- und Rindfleisch sind erst sehr kleine Marktsegmente Gentechnik-frei. Hier braucht es konsequente Umstellung auf Futtermittel ohne Gentechnik.
- Gentechnik-frei Kennzeichnung ist in Europa national geregelt – d.h. es gibt zum Teil große Unterschiede. Eine europaweite Harmonisierung ist dringend gefragt.
Forderung 2: Kein Anbau von gentechnisch veränderten Organismen
In Österreich werden keinerlei GV-Pflanzen angebaut, weder zu kommerziellen noch zu Forschungszwecken. Seit es EU-rechtlich die Möglichkeit gibt, national den Anbau von GV-Pflanzen zu verbieten, nehmen EU-weit gemeinsam mit Österreich 19 Länder diese in Anspruch. Weltweit wurden nach Angaben des Gentechnik-Interessensverband ISAAA im Jahr 2015 auf rund 180 Millionen Hektar, dies entspricht etwa 3,6 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. In Europa werden GVO-Pflanzen primär in Spanien, Portugal, Rumänien, Slowakei und Tschechien angebaut.
Forderung 3: Kein Patent auf Leben
In Österreich sind Patente auf konventionelle Züchtung verboten. Die Praxis des Europäischen Patentamtes in München, Patente auf konventionelle Züchtung zu erteilen (z.B. für Tomaten, Brokkoli, Braugerste) hat europaweit zu erheblicher Kritik geführt. Daher forderte das Europäische Parlament die EU-Kommission auf, die EU-Biopatentrichtlinie so auszulegen, dass Patente auf konventionelle Züchtung auszuschließen sind. Die EU-Kommission hat diesem Wunsch gefolgt und dies in ihrer Stellungnahme zur Auslegung der EU-Biopatentrichtlinie im Dezember 2016 klarstellt.
Neue Herausforderungen – Gentechnik durch die Hintertür?
Die Diskussion um die Neue Gentechnik, im EU-New-Speak „New genomic techniques“ genannt, rollt die Debatte um den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen neu auf. Mit neuen gentechnischen Verfahren wie TALEN, ODM oder CRISP/Cas soll die Pflanzenzüchtung revolutioniert werden: Damit sind sehr gezielte Veränderungen im Erbgut von Pflanze, Tier oder Menschen möglich, ohne das artfremde DNA eingebracht werden muss. Dadurch erwarten sich Forschung und Industrie einfachere, raschere und kostengünstigere Veränderungen im Genom als mit der herkömmlichen Gentechnik.
Die Auswirkungen dieser neuen Produkte für die Gesundheit von Menschen, Tieren und die Sicherheit für die Umwelt ist jedoch noch wenig erforscht. Seitens der Biotech- und Saatgutindustrie wird aktuell die Zulassung und Deregulierung durch die EU-Kommission mit enormem Lobbyaufwand gepusht.
Der Oberste Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 25. Juli 2018 in einem vielbeachteten Urteil entschieden, dass die Verfahren der neuen Gentechnik gleich wie die bisherige Gentechnik unter die EU-Gentechnikgesetzgebung fallen – und damit einer Risikobewertung, dem Vorsorgeprinzip und einer klaren Kennzeichnung unterliegen.
Die EU-Kommission hat allerdings 2021 einen Prozess zur Neuregelung der Gentechnik-Gesetzgebung gestartet, der in den nächsten Jahren massive Veränderungen mit sich bringen könnte. Lebensmittelhandel, große Bereiche der Hersteller, und nicht zuletzt Bio-Verbände und Konsumentenschutz sind sich einig: Auch die Neue Gentechnik muss klar geregelt bleiben!
Auch 25 Jahre nach dem Gentechnik-Volksbegehren heißt es, wachsam zu bleiben:
Wer weiter Lebensmittel ohne Gentechnik genießen will, sollte sich aktiv am europäischen Diskurs zur Neuen Gentechnik beteiligen!