ARGE Gentechnik-frei „Parteien-Check“: Konsens für Weiterführung der kritischen Gentech-Haltung
Wie positionieren sich Österreichs Parteien zur in Brüssel heftig debattierten Lockerung der Gentechnikgesetze für die Neue Gentechnik (NGT)? Rechtzeitig zur Nationalratswahl 2024 stellt die ARGE Gentechnik-frei einen brandaktuellen „Parteien-Check“ zu den Positionen in Bezug auf Neue Gentechnik und Gentechnik-freie Lebensmittel vor. Der ausführliche Check mit insgesamt acht Fragen zeichnet ein klares Bild: Nur NEOS für Aufweichung zahlreicher bewährter EU-Gentech-Gesetze – ÖVP und FPÖ-Antworten teilweise anders als bei Abstimmung im Europaparlament. Nach wie vor besteht bei Österreichs Parteien ein breiter Konsens für Transparenz und Wahlfreiheit – auch in Bezug auf Produkte und Pflanzen der Neuen Gentechnik (NGT). Lesen Sie hier die detaillierte Bewertung aller Antworten sowie den kompletten Wortlaut aller Partei-Stellungnahmen: https://gentechnikfrei.at/der-parteien-check/
Unisono befürworteten ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne die Frage nach einer verpflichtenden Kennzeichnung entlang der gesamten Lebensmittelkette, vom Saatgut bis zum Endprodukt, für alle neuen Gentechnik-Pflanzen mit einem klaren „Ja!“. Lediglich die NEOS scheren aus dem Konsens aus und sprechen sich gegen diese Kennzeichnung aus.
„Es ist ein deutliches Signal, dass der klare Wunsch von Konsumentinnen und Konsumenten, selbst entscheiden zu können, was auf ihren Tellern landet, von der überwiegenden Mehrheit im Politikbetrieb wahrgenommen und unterstützt wird. Dieses Bekenntnis bedeutet aber auch, dass eine klare Position für Kennzeichnung, Wahlfreiheit und Rückverfolgbarkeit sowie eine Unterstützung für Österreichs Erfolgsmodell von Lebensmittel „Ohne Gentechnik“ auch Fixpunkt in jedem zukünftigen Regierungsprogramm sein muss“, fordert Florian Faber, Geschäftsführer der ARGE Gentechnik-frei.
Mehrheit der Parteien für EU-weite verbindliche Koexistenzmaßnahmen
Auch für EU-weit verbindliche Koexistenzmaßnahmen gibt es ein klares Votum von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen. Diese Parteien sprechen sich also für Vorgaben aus, die das Nebeneinander von Gentechnik und „Ohne Gentechnik“ in Landwirtschaft und Lebensmittelkette regeln und damit Wahlfreiheit und Sicherheit vor ungewollten Verunreinigungen oder Auskreuzungen absichern. Wieder weichen allein die NEOS vom Parteien-Konsens ab und sprechen sich dagegen aus. Dabei wären verbindliche Abstände, Standortregister und Reinigungsauflagen dringend gefragt, damit alle Markteilnehmer unter gleichen Rahmenbedingungen wirtschaften können und damit der Nachweis geführt werden kann, dass alle Maßnahmen getroffen wurden, um Verunreinigungen zu verhindern.
„Die Position der NEOS ist für uns nicht nachvollziehbar. Ohne EU-weit verbindliche Vorgaben, wie die Bio- und die „Ohne Gentechnik“-Produktion vor Verunreinigung durch die Neue Gentechnik geschützt werden können, erzeugt man signifikante Haftungsrisiken bei Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel sowie Verunsicherung und Vertrauensverlustbei Konsument:innen. Statt Rechtssicherheit zieht diese Haltung Rechtsstreitigkeiten nach sich“, zeigt sich Florian Faber verwundert über den Pro-Gentechnik-Kurs der NEOS.
Ein wichtiger Pfeiler bei der Zulassung von Gentech-Konstrukten war bislang die umfassende wissenschaftliche Risikobewertung Auf die Frage, ob dieses Vorgehen auch für NGT bestehen bleiben solle, antworteten SPÖ, FPÖ und Grüne mit einem klaren Ja. Die NEOS sprachen sich dagegen aus, die ÖVP vermied eine klare Antwort.
Nationale Spielräume erhalten? Schwammige Aussagen von ÖVP und NEOS
Das sogenannte Opt-Out ermöglicht es aktuell den EU-Mitgliedsstaaten, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf ihrem Gebiet einzuschränken oder zu verbieten. Auf die Frage, ob die EU-Mitgliedsstaaten auch künftig im Rahmen des Zulassungsverfahrens für NGT von einem Opt-Out Gebrauch machen dürfen, stimmte NEOS mit Ja. Jedoch wollen sie dies lediglich für den sehr kleinen Anteil der NGT 2, für ca. 94 Prozent der NGT (NGT 1) lehnen sie diese Möglichkeit ab. Die ÖVP antwortete mit einem Plädoyer für europaweit einheitliche Regelungen für den Warenverkehr mit agrarischen Rohstoffen und Lebensmitteln. SPÖ, FPÖ und Grüne votierten klar für nationale Entscheidungsfreiheit. Irritierend in Bezug auf das klare Votum der FPÖ: Die FPÖ-Mitglieder des EU-Parlaments haben noch am 7. Feb. 2024 gegen einen diesbezüglichen Antrag gestimmt.
Klare Widersprüche bei Patentierbarkeit
Die Patentierbarkeit von Pflanzen und Produkten der Neuen Gentechnik ist hoch umstritten. Die von der High-Tech Agrarindustrie gewünschten Patente drohen die Entwicklung klimafitter Nutzpflanzen und die Sortenvielfalt massiv einzuschränken, zu Lasten der Züchter:innen, Bäuer:innen, Verarbeiter:innen und Konsument:innen. Das Europaparlament hat sich klar gegen die Patentierbarkeit von NGT-Konstrukten ausgesprochen. Allerdings bleibt völlig unklar, wie dies rechtssicher umgesetzt werden kann, da das Patentrecht kein reines EU-Gesetz ist. Die ARGE Gentechnik-frei hat deshalb die Parteien gefragt, ob der laufende Gesetzgebungsprozess für NGT-Konstrukte pausiert werden solle bis die offene Frage der Patentierbarkeit geklärt ist.
SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS antworteten mit einem klaren Ja. Die ÖVP legte sich nicht fest. Im EU-Parlament wurde am 7. Februar 2024 über einen Antrag abgestimmt, der die Patentierbarkeit von NGT-Produkten und Pflanzen untersagen soll. Von den ÖVP-Europaabgeordneten stimmte lediglich Othmar Karas gegen diesen Antrag. SPÖ und Grüne stimmten geschlossen dafür, die FPÖ-Abgeordneten enthielten sich und NEOS stimmte dagegen.
Vorsorgeprinzip, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung müssen Eckpfeiler einer künftigen Regierungspolitik sein
„Auch die künftige Regierung wird all ihr Gewicht in die Waagschale werfen müssen, um konstruktiv an einer Regulierung zu arbeiten, die die vitalen Interessen der heimischen Landwirtschaft, der Lebensmittelkette und der Konsument:innen schützt, ohne jedoch die Innovation zu verhindern. Ein Verbot von Patenten auch auf NGT-Pflanzen, die Rückverfolgbarkeit und eine klare Kennzeichnung bis hin zum Lebensmittelregal, die Absicherung der biologischen und „Ohne Gentechnik“ Lebensmittelproduktionmüssen Eckpfeiler für verantwortungsvolle Politik sein. Das muss in den Koalitionsverhandlungen und letztendlich im Regierungsübereinkommen klar festgehalten werden. Dafür werden wir uns einsetzen und wir werden selbstverständlich die Taten der Parteien im Vergleich mit ihren jetzigen Positionen messen“, so Florian Faber.
Pattsituation im EU-Rat
Das Europaparlament hat bereits im April seine Verhandlungsposition beschlossen. Im EU-Rat herrscht aktuell eine Pattsituation. Die EU-Agrarminister:innen konnten sich auf keine gemeinsame Position zu den Deregulierungsplänen der EU-Kommission einigen. Erst wenn dies geschehen ist, kann der für ein EU-Gesetzgebungsverfahren notwendige Trilog beginnen. Österreich wird also gefordert sein, sich weiterhin konstruktiv und klar in diese Verhandlungen einzubringen.
Top-Vertrauenswerte für Lebensmittel Ohne Gentechnik
Lebensmittel mit dem grünen Kontrollzeichen „Ohne Gentechnik hergestellt“ gelten als wichtiger Verkaufs- und Exportschlager in Österreich, und als Markenzeichen heimischer Produkte. Derzeit sind in Österreich rund 6.800 Produkte als „Ohne Gentechnik hergestellt“ auf dem Markt, mit einem geschätzten Jahresumsatz von EUR 5,5 Milliarden. Für 83,1% der Österreicher:innen ist Gentechnik-Freiheit ein wichtiger bzw. sehr wichtiger Aspekt beim Einkauf (Frische: 94,8%, Preis/Leistung: 94,8%, Tierwohl: 88,3%, regionale Herstellung: 83,8%, österreichische Produktion: 83,4%). 81,1% erachten das Gütesiegel „Ohne Gentechnik hergestellt“ als glaubwürdig bzw. sehr glaubwürdig – ein absoluter Topwert: Rang 2 nach Fairtrade (86,2%); noch vor AMA Biosiegel (81,1%) und AMA Gütesiegel (80,6%). (marketagent, n = 1.000; Juli 2023)