EU: Start des Trilogs zur Neuen Gentechnik ab 6. Mai

Bei der seitens der EU-Kommission vorgeschlagenen, weitgehenden Deregulierung der europäischen Gentechnik-Gesetze droht Irreführung statt Information! Lesen Sie hier, wie die fünf gängigsten irreführenden Behauptungen seitens der Biotech-Industrie widerlegt werden können.

Am Dienstag, 8. April hat der EU-Umweltausschuss den Weg für den Start der Trilog-Verhandlungen freigemacht. Damit können nun – voraussichtlich mit 6. Mai – die Verhandlungen zwischen der Vertretung des EU-Parlaments, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission zur Änderung der europäischen Gentechnik-Gesetze starten. Diese Änderungen sollen den Umgang mit und die Marktzulassung von Pflanzen und Produkten, die mit Neuer Gentechnik („Neue genomischen Techniken“ = NGT) hergestellt wurden, signifikant ändern.  

Auf Basis des Gesetzesvorschlages der EU-Kommission vom 5.7.2023, der Beschlusslage des EU-Parlaments vom Februar 2024 und des Verhandlungsmandats des EU-Rates vom 14.3.2025 soll der seit vielen Jahren bewährte Rechtsrahmen für die Marktzulassung gentechnisch veränderter Pflanzen und Produkte stark ausgehöhlt und in wesentlichen Bestandteilen abgeschafft werden; mit dem Kernziel, der Neuen Gentechnik (NGT) – also Crispr/CAS und Konsorten – leichten, kontrollfreien und damit kostengünstigen Zugang auf den europäischen Binnenmarkt zu ermöglichen.

Irreführung statt Information

Um diese weitgehende Lockerung aller Sicherheits-, Kontroll- und Kennzeichnungsmaßnahmen für NGT durchzusetzen, bedienen sich die EU-Kommission und die Industrieakteure unrichtiger oder zumindest irreführender Narrative: Die neuen Techniken seien präzise und deshalb sicher, sie führten zu Ergebnissen, die auch mit gängiger konventioneller Züchtung erreicht werden könnten und sie seien damit eigentlich gar keine Gentechnik-Produkte und Pflanzen –
So lautet das mit enormem Budgeteinsatz in ganz Europa verbreitete Narrativ.

Allerdings: Diese Aussagen werden sowohl vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als auch von einer Reihe wissenschaftlicher Einrichtungen in Österreich, Deutschland und Frankreich klar relativiert. Dies findet jedoch in der politischen Debatte noch keinen besonders großen Niederschlag

Die derzeit diskutierte Gesetzesänderung würde:

  • die aktuell verpflichtende Risikoprüfung für die überwiegende Mehrheit der NGT-Pflanzen abschaffen – das deutsche Bundesamt für Naturschutz (BfN) spricht von 94 Prozent der Pflanzen und Produkte;
  • potenzielle Risiken dieser Pflanzen und Produkte ignorieren und das europäische Vorsorgeprinzip außer Kraft setzen;
  • die seit 20 Jahren erfolgreich bestehende Kennzeichnungspflicht bis ins Regal aufheben und damit Wahlfreiheit und Transparenz für Landwirt:innen, Lebensmittelproduzenten und Konsument:innen  abschaffen;
  • die Gentechnik-freie und die biologische Lebensmittel-Produktion durch eine mögliche, unsichtbare Verunreinigung der Lieferketten gefährden;
  • Landwirt:innen und die Umwelt dem Risiko der Kontamination mit NGT aussetzen, wenn neue GVO unkontrolliert in die Umwelt freigesetzt werden;
  • den Einfluss, den eine Handvoll Saatgutunternehmen über Patente auf Landwirt:innen und kleine und mittlere Züchter:innen ausübt, erheblich verstärken.

Fünf gängige, aber irreführende Behauptungen:

1. „Neue Gentechnik ist präzise und sicher“
Klingt gut, ist aber nur die halbe Wahrheit.

Auch gezielte Eingriffe können unerwünschte Nebeneffekte verursachen – wie ungewollte Genveränderungen. Unabhängige Forschung zeigt: Präzision ≠ Risikofreiheit!

So haben unter anderem das deutsche Bundesamt für Naturschutz (BfN), das österreichische Umweltbundesamt (UBA) und die französische Nationale Agentur für Lebensmittel, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) in Studien davor gewarnt, dass NGT-Pflanzen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt bergen können und von Fall zu Fall einer Risikobewertung, Rückverfolgbarkeit und Überwachung nach der Freisetzung unterzogen werden sollten.

2. „NGT-Pflanzen sind wie konventionell gezüchtete Sorten“
Ein Wunschbild der Industrie.

Auch wenn manche Ergebnisse ähnlich wirken: Die Methoden sind grundlegend verschieden – mit ganz eigenen Risiken, die eine Regulierung notwendig machen.

So hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass NGT-Organismen eindeutig Gentechnik sind. Sowohl im Gesetzesvorschlag der EU-Kommission als auch in den vom Europäischen Parlament angenommenen Änderungen werden NGT-Pflanzen als gentechnisch veränderte Pflanzen definiert.

NGTs verändern künstlich die DNA von Pflanzen. Diese Veränderungen können negative Folgen für die menschliche Gesundheit (z. B. Toxine und Allergene) und die Umwelt (z. B. veränderte Wechselwirkungen mit Insekten) haben.

3. „Ohne Deregulierung gibt es keine Innovation“
Stimmt nicht.

Ökologische Züchtung und klassische Methoden liefern längst klimaresistente, ertragreiche Sorten – ganz ohne Gentechnik und Patente.

Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit, Risikoprüfung und Kontrollen sind definitiv keine Innovation-Bremser! Denn das Gesetz behindert bzw. verbietet keinesfalls Forschung und Entwicklung. Es muss aber sicherstellen, dass das, was entwickelt wird, nicht gegen die Rechte der EU-Bürger:innen auf Gesundheit, Umweltschutz und Wahlfreiheit verstößt.

4. „Neue Gentechnik unterstützt beim Klimaschutz“
Grüne Verpackung für ein graues Geschäftsmodell.

Klimaanpassung braucht Vielfalt, Resilienz und regionale Lösungen – keine patentierten Monokulturen mit ungewissem Langzeiteffekt.

Die wenigen NGT, die bislang außerhalb Europas auf den Markt gekommen sind, erfüllen in keinster Weise Nachhaltigkeitsversprechen wie z. B. Dürreresistenz oder höhere Erträge. Es befinden sich auch keine derartigen Pflanzen in den Produkt-Pipelines der Biotech-Industrie.

5. „Bäuer:innen und Konsument:innen profitieren“
Im Gegenteil!

Ohne Kennzeichnungspflicht ist die Wahlfreiheit für Bäuer:innen, Lebensmittelhersteller und Konsument:innen massiv in Gefahr. Die Landwirtschaft – ganz unabhängig davon ob konventionell, Gentechnik-frei oder Bio – riskiert ungewollte Gentechnik-Kontamination, während Biotech-Großkonzerne das Saatgut monopolisieren und hohe Margen einstreichen.

Fazit: Kontrolle und Transparenz – statt Deregulierung

Neue Gentechnik braucht Transparenz und Kontrolle, und keinen Freifahrtschein!

Vom Feld bis auf dem Teller muss die Gentechnik-freie Produktion geschützt werden, damit sie dem klaren Wunsch der Landwirt:innen, zahlreicher Lebensmittelproduzenten und der Konsument:innen auch künftig nachkommen kann: Denn die überwiegende Mehrheit der Konsument:innen wünscht sich Lebensmittel ohne Gentechnik und ohne NGT, mit klar nachvollziehbarer Kennzeichnung.

Wahlfreiheit und Transparenz sind ein unverzichtbares Gut bei Lebensmitteln. Auch in Zukunft muss der sichere Griff zum Gentechnik-freien Produkt gewährleistet sein.

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