Rechtsgutachten: NGT-Verordnung bringt erhebliche Zusatzbelastung und Haftungsrisiken für Lebensmittelwirtschaft
Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission sieht vor, das bewährte Zulassungsverfahren für Produkte und Pflanzen der „Neuen Gentechnik“ großteils abzuschaffen. Die Sicherheitsprüfung und das Haftungsrisiko würden damit von den Biotech-Firmen hin zur Lebensmittelwirtschaft abgewälzt. Eine fatale Konsequenz der EU-Gentechnik-Deregulierungspläne, so das Ergebnis eines Rechtsgutachtens der Berliner Kanzlei GGSC, im Auftrag des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG).
Die Deregulierung „wird zu einer Verlagerung der Durchführung von Sicherheitsprüfungen vom Gentechnikrecht in das Novel-Food-Recht und damit zu den Lebensmittelunternehmen führen. Oder dazu, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel als NGT-Erzeugnisse der Kategorie 1 ganz ohne Sicherheitsprüfung in Verkehr gebracht werden“, so Rechtsanwalt Dr. Georg Buchholz in seinem Gutachten.
Hersteller und Vermarkter müssten Compliance mit Novel-Food-Verordnung prüfen
Die Konsequenzen für die Lebensmittelwirtschaft seien im vorliegenden Gesetzesvorschlag nicht durchdacht, erklärt Dr. Buchholz in einem viel beachteten Vortrag für Europaparlamentarier. Der Vorschlag würde Kosten und Risiken weg von den Entwicklern der NGT-Produkte hin zur Lebensmittelwirtschaft verlagern. Denn viele Produkte der Neuen Gentechnik würden nach dem Gesetzesvorschlag nicht mehr dem Gentechnikrecht unterliegen, sondern stattdessen in den Rahmen der „Novel-Food-Verordnung“ wechseln. Hier gelten für Lebensmittelfirmen weitreichende Anforderungen im Bereich der Sicherheitsprüfung und der amtlichen Eintragung als zugelassenes „Novel-Food-Lebensmittel“. Aufwand und Kosten dieser Prüfungen wären von den Herstellern und Vermarktern zu tragen.
Haftung läge künftig bei der Lebensmittelwirtschaft
Lebensmittelunternehmen sind für die Sicherheit ihrer Produkte verantwortlich. Sie haften deshalb für fehlerhafte Produkte und die Schäden, die daraus entstehen. Dies gilt auch für Produkte, die mit der Neuen Gentechnik hergestellt wurden. Für deren Entwickler, die Biotech-Firmen, enthält das EU-Gentechnik-Gesetz keine speziellen Haftungsregelungen. Bei normalen Lebensmitteln ist der Handel meist gegen Haftungsrisiken versichert.
Überdies gäbe es aktuell keine Versicherung, die Gentechnik-Risiken abdecken würde, so Dr. Buchholz.
Klare Empfehlungen an die EU
Für den mit Anfang Mai startenden Trilog zwischen EU-Kommission, Rat und Europaparlament empfiehlt Dr. Buchholz daher:
- ein Inverkehrbringen von NGT1-Pflanzen, die für Lebensmittel verwendet werden können, dürfe erst nach umfassender Novel-Food-Prüfung möglich sein
- es brauche eine umfassende Deckungsvorsorge (Versicherung oder Haftungsfonds)
- sowie umfassende Kennzeichnung aller NGT-Pflanzen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Lesen Sie hier das Rechtsgutachten im Detail:
Zur Bedeutung der Kennzeichnung von NGT1-Erzeugnissen für Novel Food und Haftung, Dr. Georg Buchholz, Kanzlei GGSC, Berlin